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Thomas Felder
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Buttenhausen - eine Reportage

Buttenhausen, mein kleines Jerusalem. (I)



Die Texte findet ihr hier!

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Aufgewachsen 1953-70 in Hundersingen, lebte ich meine Kindheit in enger  Nachbarschaft zu Buttenhausen. Hier kaufte man im »Konsum« ein, beim Bäcker gab es Brezeln und Eis für zehn Pfennig, beim Metzger Wurschträdla umsonst. Hier war die Autowerkstatt, der Flaschner, zwei Friseure, die Kinderstunde, der Posaunenchor, der Sportverein; zu den Bundesjugendspielen kamen die Buttenhausener nach Hundersingen. Während meiner Schulzeit am Münsinger Progymnasium kam ich etwa dreitausendmal durch Buttenhausen. Aber der Regenbogen war irgendwie unvollständig, da fehlte eine Farbe. Heute ahne ich, woran das lag: Keiner sprach von den Juden, die noch knapp vor meiner Zeit hier gelebt hatten. Ich war ins Schweigen geboren.


               Bild aus”Holzweg” - Denkmal Ortsmitte 1961

 

Nur zögerlich sickerten die ersten Informationen durch. Wo der »Konsum« gestanden hatte, setzten Überlebende aus aller Welt ihren ermordeten Schwestern und Brüdern 1961 ein Denkmal. Fünf Jahre später nahm mich mein Vater mit zur Enthüllung des Gedenksteins am Platz der abgebrannten Synagoge. Ich erlebte Professor Karl Adler aus Amerika, der als gebürtiger Buttenhausener wiedergekommen war um uns mitzuteilen: »Wer seine Heimat verloren hat, weiß erst, was Heimat wirklich bedeutet«. Nach weiteren vier Jahren, als Siebzehnjähriger, hatte ich das Glück, mit der ersten deutschen Jugendgruppe nach Israel reisen zu dürfen, die der frischgebackene Staat offiziell zu einem künstlerischen Austausch mit Gleichaltrigen in Jerusalem empfing. Auf diesem »Art Camp« sang ich mein erstes eigenes Lied über den Radiosender: »Much to Do«. Kaum jemand von den jungen Israelis hatte einmal »Oma« oder »Opa« sagen können. Die Eltern waren als letzte Überlebende ihrer Familien aus dem brennenden Europa ins »gelobte Land« geflüchtet, um hier neu anzufangen mit einem Selengepäck, das sich jeder Begrifflichkeitentzieht.

 

           Bild aus “Holzweg” - Karl Adler


Karl Adler hatte zur Einweihung des ersten Denkmals in Buttenhausen gesagt: »Wir wollten von unseren Schwestern und Brüdern das zurückbringen, was zurückgebracht werden konnte: Die Namen der Toten«. Das waren damals dreiundvierzig. Günter Randecker hat während seiner Amtszeit im Münsinger Stadtarchiv eine Liste mit fast hundert weiteren Namen von jüdischen Bürgern zusammengestellt, die in Buttenhausen gelebt hatten, bevor sie in Vernichtungslager verschleppt, zu Nummern herabgedemütigt und ermordet wurden, um dann in Massengräbern und Krematorien spurlos zu verschwinden. Der Weg zum Friedhof, zu einem ordentlichen Begräbnis blieb ihnen verwehrt. Keine Inschrift erinnerte an sie.
 

Im Rahmen meiner Kandidatur 1997 für das Bürgermeisteramt in Münsingen
machte ich auf diese liegengebliebene Hausaufgabe aufmerksam. Zusammen mit Revital Herzog gravierte ich die mir damals bekannten Namen auf Deutsch und Hebräisch in Kupfer. CHC Geiselhart druckte die Radierung in einer Auflage von dreißig Exemplaren. Der Erlös sollte einem Mahnmal für die Vergessenen zufließen. Der erste, dem ich meinen Plan unterbreitete, war Herr Walter Ott, damals noch langjähriger Ortsvorsteher in Buttenhausen. Ich bat ihn um Unterstützung, stieß aber auf kein Entgegenkommen. Unter den ersten Käufern waren der ehemalige und der jetzt amtierende Bürgermeister von Münsingen, die Herren Keller und Münzing. Letzterer beauftragte Herrn Deigendesch vom Stadtarchiv, eine möglichst vollständige, amtliche Liste der betreffenden Personen zu erstellen und gemeinsam mit mir umzusetzen.

Als mich Herr Deigendesch in Gönningen besuchte, um das Projekt zu konzipieren, wollte er für die Stadt ein kostenloses Belegexemplar der Grafik mit der Begründung, die Namen auf dem Blatt entstammten einer Quelle seines Archivs. Diesen Wunsch konnte ich ihm nicht erfüllen. Mein Ziel war es ja, einen möglichst hohen Betrag für die Gestaltung des Denkmals zu sammeln. Auch wollte ich die Wertschätzung der künstlerischen Arbeit nicht untergraben. Herr Deigendesch brachte drei Blätter in die Buchhandlung Schatz nach Münsingen, wo auch bald ein Exemplar über den Ladentisch ging, nämlich dasjenige fürs Amtszimmer des Bürgermeisters. In den darauf folgenden zwei Jahren fand sich in Münsingen kein Käufer mehr.

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Hier möchte ich Thomas Felder selbst zu Wort kommen lassen.
Er hat die Geschichte, die zu den Geschehnissen an jenem 12.11.2000 führte, in einem kleinen Heftchen ganz subjektiv zusammengefasst.
Ich bedanke mich ganz herzlich, sie hier bildhaft kommentieren zu dürfen.

Die Bilder folgen nicht immer dem Text, dies war leider nicht möglich. Doch  wenn ihr den ganzen Text gelesen habt, werdet ihr euch zurecht finden.
Bitte klickt die kleinen Bilder an, um die Vergrößerungen zu sehen.

Gruß Willi

 

Bild 94 aufgenommen am 12.11.2000 in Buttenhausen

Bernheimersche Realschule
in Buttenhausen - Rückansicht

Bild 95 aufgenommen am 12.11.2000 in Buttenhausen

Seiteneingang mit Hinweisschild auf das Museum in der Bernsteinerschen Realschule in Buttenhausen.

Bild 96 aufgenommen am 12.11.2000 in Buttenhausen
Bild 97 aufgenommen am 12.11.2000 in Buttenhausen

Bernheimersche Realschule in Buttenhausen - Vorderansicht.

Bild 98 aufgenommen am 12.11.2000 in Buttenhausen

Eingangstüre zur
 Bernheimerschen Realschule
in Buttenhausen

Bild 99 aufgenommen am 12.11.2000 in Buttenhausen

Über diese Schwelle
gingen viele Menschen.

Bild 100 aufgenommen am 12.11.2000 in Buttenhausen

Ein Blick ins Museum in der Bernheimerschen Realschule in Buttenhausen.

Bild 101 aufgenommen am 12.11.2000 in Buttenhausen

Statt Grabsteine durften nur Holztafeln verwendet werden. Diese befinden sich in der Bernheimerschen Realschule.

Bild 102 aufgenommen am 12.11.2000 in Buttenhausen

Jüdischer Friedhof von Buttenhausen

Bild 103 aufgenommen am 12.11.2000 in Buttenhausen

Bürgermeister Münzing während seiner Grußworte bei der Gedenktafeleinweihung in der Bernheimerschen Realschule in Buttenhausen am 12.11.2000.

Bild 104 aufgenommen am 12.11.2000 in Buttenhausen

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