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ADARO - das rockende Fabelwesen
ein Porträt der Gruppe ADARO von Daniela Meier. Die Erstveröffentlichung gab es in der Mittelalter-Fachzeitschrift KARFUNKEL 30/2000 ab Seite 20.
Vielen Dank für die Veröffentlichungsrechte auf meiner Homepage
Einst, in einer fernen Zeit, gab es ein geheimnisvolles Wesen, halb Mensch, halb Fisch. In der melanesischen Mythologie der Salomo-Inseln war dieser Meergeist bekannt unter dem Namen Adaro. Über einen Regenbogen bahnte er sich seinen Weg in die Träume der Erdenbewohner. Wenn sie am Morgen aus ihrem Schlaf erwachten, klangen ihre althergebrachten Lieder und Tänze in ihnen nach, jedoch auf neuartige Weise. Dies hatte ihr nächtlicher Besucher, der Adaro, bewirkt.
Und tatsächlich gibt es diese Wesen noch heute. Davon kann sich jeder selbst überzeugen: Adaro ist der klangvolle Name einer Mittelalter-Rock-Band, die alte, überlieferte Weisen mit verschiedenen modernen Stilmitteln verquickt. Heraus kommt eine fröhliche Mixtur, die in die Beine geht und gute Laune versprüht. Wer oder was genau dahinter steckt, das fragte Daniela Meier am 12. Februar 2000 vor dem Konzert der Gruppe im Heidelberger Schwimmbadclub den Sänger, Christoph Pelgen.
Konstanze Kulinski - Opening
D. Meier: Wann und durch wen wurde die Band gegründet? Christoph: Jürgen Treyz, Konstanze Kulinsky und ich fanden uns zuerst in der Gruppe La Marmotte, die hauptsächlich zu bretonischen und anderen europäischen Folk-Tänzen aufspielt. Jürgen kannte Ulli Stotz aus ihrer gemeinsamen Zeit bei einer Band namens Tronje, die für die GI’s in Ami-Clubs spielte. Die Verbindung von alter Musik mit Rockmusik hat uns schon immer gereizt. 1996 begannen wir vier im Studio, das Projekt Adaro zu kreieren. Später kam Davide Piai am Bass hinzu. Das Ganze war aus dem Wunsch geboren, eine anspruchsvolle, gute Musik zu machen D. Meier: Gibt es die Gruppe La Marmotte noch oder ist sie zugunsten Adaro zurückgetreten? Christoph: Es gibt sie noch, allerdings mehr im Untergrund. Wir spielen in der Regel auf Privatfeten. Es finden auch noch öffentliche Veranstaltungen wie Tanz-Workshops und Tanzabende statt. Nur manchmal ist es schwierig, die Termine zu koordinieren. D. Meier: Das brave Murmeltier La Marmotte und das rockige Fabelwesen Adaro haben schon allein optisch bei euch dreien eine Veränderung hervorgerufen - vom Folker zum Rocker sozusagen. Spiegelt die Musik von Adaro auch eine persönliche innerliche Veränderung wider? Christoph: Wir haben uns durchaus mit Adaro verändert, weil wir erkannten, dass wir nicht in Jeans und mit Nickelbrille auf der Bühne stehen können. Das sieht nicht gut aus und passt nicht mehr zu der Musik, die wir jetzt machen. Innerlich haben wir uns natürlich auch gewandelt.
“Die Mittelalterwelle boomt ja auch deshalb, weil sie Assoziationen à la ‚Name der Rose‘ hervorruft”
D. Meier: Ihr hattet alle neben Adaro einen erfahrungsreichen, vielseitigen musikalischen Entwicklungsweg. Ulli ist zum Beispiel bereits seit 1968 live unterwegs, angefangen von Hardrockgruppen wie Shiva und Helter Skelter bis hin zu der Begleitband von Michael Holm. Auffallend ist, dass die Begegnung mit der mittelalterlichen Musik großen Einfluss auf die Einzelnen hatte, auch das ganze Leben veränderte wie bei Konstanze, die ihren Beruf als Agraringenieurin zugunsten der Drehleier aufgab. Könnt ihr sagen, was die Faszination dieser alten Musik für euch ausmacht im Vergleich zu den musikalischen Spielarten, mit denen ihr sonst zu tun habt oder hattet? Christoph: Die mittelalterliche Musik geht über den Bauch, nicht über den Kopf. Der Zuhörer hat sofort Bilder vor Augen, wenn sie entsprechend lecker angerichtet ist. Er kann die Augen schließen, hört die Musik und sieht ein Kreuz, sieht Burgen, versetzt sich zurück in irgendwelche Rittergeschichten. Die Mittelalterwelle boomt ja auch deshalb, weil sie Assoziationen à la “Name der Rose” hervorruft.
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D. Meier: Euer Bassist, Davide Piai, kommt - musikalisch gesehen - aus einer völlig anderen Ecke, dem Heavy Metal. Wie ist er in eure Mittelalter-Rock-Band geraten? Christoph: Heavy Metal war die Musik, die er in Italien als Tontechniker kennengelernt hat. Ein Zufall hat uns zusammengeführt. Davide sprach Jürgen an, weil er Arbeit suchte. Bei einigen Auftritten von Adaro wirkte er als Tontechniker mit, als uns klar wurde, dass wir ihn eher auf der Bühne als vor der Bühne brauchen. D. Meier: Du bist nach dem Abitur zu Fuß den Jakobsweg von Baden-Baden nach Santiago de Compostella gegangen? Wie kam es dazu? Christoph: Zwei Freunde und ich wollten eigentlich nach Papua-Neuguinea trampen. Das wäre aber zu teuer geworden. Wir hatten ungefähr ein halbes Jahr zur Verfügung, bis mein Zivildienst anfing. In dieser Zeit wollten wir möglichst viel erleben. Deshalb beschlossen wir, zu Fuß durch Frankreich zu laufen. Als wir die Frankreich-Reise planten, sind wir immer mehr auf diesen Jakobs-Weg gekommen. Das sind 2.500 Kilometer von Baden-Baden aus. Am 4. November 1989 liefen wir los, am 16. März 1990 - nach nur viereinhalb Monaten Fußmarsch durch den Winter - waren wir dann in Santiago. Wir hatten Instrumente dabei, da ich damals schon bei der Mainzer Gruppe Sans Famille Dudelsack spielte. In Galicien habe ich diesen speziellen Dudelsack sowie die Cantigas gefunden und mitgebracht. D. Meier: Aus welchem Grund bevorzugt ihr die Cantigas de Santa Maria für eure Musik? Christoph: Die Cantigas waren zumindest für unser erstes Album “Stella Splendens” die Themenbindung. Die über 400 Cantigas bieten sich an, weil sie musikalisch einzigartig sind und aus dem 13. Jahrhundert komplett mit Texten und Melodien überliefert wurden. In den 60er Jahren wurden sie transkribiert, damit wir Normalsterblichen diese Notenschrift auch lesen können. Uns lag sehr daran, die Originalmelodien und -texte möglichst frei zu interpretieren und spannend zu arrangieren, damit es nicht mehr nach Klassik klingt. D. Meier: Worin besteht für euch die Einzigartigkeit der Cantigas? Christoph: Im Grunde genommen sind es Wundererzählungen, die viel mehr aussagen als: “Maria hat geholfen”. Zwar ist es die zentrale Aussage von allen Stücken, dass Maria als die Fürsprecherin der Unterdrückten und Betrogenen agiert. Zwischen den Zeilen erfährt der Hörer jedoch viele spannende Geschichten aus dem mittelalterlichen Alltag, über Ehebruch, Diebstahl, Mord, Tollwut, Krankheit oder Missernten. Die Cantigas waren beim Volk bekannt und wurden in den Pilgerherbergen gesungen. König Alfons, der als der Verfasser gilt, ordnete an, dass die Cantigas an seinem Todestag immer zu seinen Ehren zelebriert werden sollten. D. Meier: Wo habt ihr die Sprache der Cantigas - das Altgalicische - gelernt? Christoph: Gelernt wäre zuviel gesagt. Wir beobachten, wie andere Gruppen das aussprechen. Ich habe mich zudem an der Universität in Tübingen darüber informiert, was die Romanisten dazu sagen. Es ist ja eine tote Sprache. Spanier verstehen das heute auch nicht mehr richtig. Im Zuge unserer Nachforschungen sind wir auf eine Professorin in Amerika gestoßen, die seit über zwanzig Jahren an der Gesamtübersetzung arbeitet. Sie hat die Stücke, die wir aufgenommen haben, in englisch übersetzt. Das haben wir auf unserer Homepage - www.adaro.de - eingestellt.
“Wir wollten mit ‚Stella Splendens‘ herausfinden, welche Facetten möglich sind”.
D. Meier Du hast mittelalterliche Geschichte studiert und forschst in Bibliotheken und Archiven nach mittelalterlichen Liedern und Texten. Dies bildet die Grundlage für die meisten eurer Songs. Wer ist dann maßgeblich beteiligt an der modernen Ausgestaltung? Christoph: Jürgen. Die Aufgabenteilung sieht so aus: Ich besorge die Texte, Jürgen macht die Musik daraus. Wenn keine alten Melodien vorhanden sind, komponiert Jürgen neue. D. Meier: Jürgen hat vom Münchner Gitarren-Institut einen Abschluss als Jazz-Gitarrist, komponiert und produziert für diverse Verlage und hat rund fünfzig CD’s mit eigener Musik veröffentlicht. Was sind seine bzw. eure musikalischen Vorbilder und Einflüsse? Christoph: Den größten Einfluss hatte sicher seine Ausbildung als Jazzrock-Musiker. Ebenfalls sehr fasziniert haben uns Peter Gabriel und Genesis, vor allem die Art und Weise, wie sie Rock und World-Music miteinander verbinden. Die traditionellen Einflüsse aus der Bretagne sind bei uns jedoch auch sehr deutlich spürbar. Wir wollten mit “Stella Splendens” herausfinden, welche Facetten an Stilrichtungen möglich sind. Nun werden wir wieder kleiner, weil es keinen Sinn hat, so viele Musikstile auf einmal bedienen zu wollen. D. Meier: Ihr habt eine neue CD. Wie heißt die? Christoph: Wir haben ein sogenanntes Mini-Album namens “Words never spoken” produziert. Darauf sind vier Titel der neuen Richtung, die wir jetzt einschlagen wollen. Es handelt sich um mittelhochdeutsche Lieder von Walther von der Vogelweide, von Freidank, teilweise mit lateinischen oder englischen Refrains. D. Meier: Wann erscheint eure nächste größere CD? Christoph: Diese wird Ende des Jahres veröffentlicht. Wir sammeln schon eifrig und stellen bei unseren Konzerten bereits einige Stücke daraus vor. D. Meier: Werden darauf auch Lieder sein, die ihr bisher nur live aufgeführt habt? Christoph: Nein. Lediglich die CD “Words never spoken” haben wir fürs Live-Publikum in einer kleinen Auflage herausgebracht, weil wir nach den Stücken “Todten Dantz” und “Palästinalied” gefragt wurden. Diese hatten wir bisher nur live gespielt.
Die Leute “sollen reich beschenkt nach Hause gehen”...
D. Meier: Was steckt hinter dem “Todten Dantz”? Christoph: “Todten Dantz” ist live - von den visuellen und theatralischen Aspekten her gesehen - unser zentrales Stück. Es ist die musikalische Umsetzung eines jahrhundertealten Themas. 1346 gab es die Pest in Europa, die 40 Prozent der Bevölkerung dahinraffte. Diese Vergänglichkeit war so zentral in den Köpfen der Leute, auch in denen der Künstler, dass diese immer wieder abgebildet wurde. Wir haben die Aussage des Totentanzes musikalisch gestaltet, mit der Drohung des Todes: “Ich hol´ dich”, und der Bitte des Menschen: “Lass mich noch ein bisschen leben.” Soweit es die Musik zulässt, haben wir auch etwas Schauspiel auf der Bühne. Wir tragen dabei Kostüme, die zur Show beitragen.
Christoph Pelgen beim “Todten Dantz” D. Meier: Was möchtet ihr dem Publikum mit eurer Art der Interpretation nahebringen ? Christoph: Wir wünschen uns, dass die Leute Spaß haben und sich unterhalten. Sie sollen reich beschenkt nach Hause gehen, mit Bildern, Melodien, Instrumenten, die sie lange nicht mehr gehört haben - schon gar nicht in einem solchen Kontext. Nach den Konzerten wollen die Leute wissen, wie die Instrumente heißen, was ein Krummhorn, was eine Drehleier ist. Die haben so etwas noch nie gesehen oder gehört und wären vielleicht nicht so begeistert, wenn sie die gleichen Instrumente in einem klassischen Konzert erleben würden.
“Alte, eingängige Melodien ... druckvoll rübergebracht.”
D. Meier: Ihr seid eher eine reine Konzertband und erreicht dadurch ein anderes Publikum als die Besucher von Mittelalter-Märkten, auf denen ihr ja nicht auftretet... Christoph: Das tun wir nicht, weil Adaro mit seinen technischen Anforderungen viel zu groß geworden ist. Wir können noch nicht unplugged spielen. Bisher funktioniert unser Konzept nur mit einer richtigen PA-Anlage. Die Mittelalter-Märkte bevorzugen in der Regel das Akustische. D. Meier: Wie würdest du den speziellen Adaro-Stil beschreiben? Christoph: Alte, eingängige Melodien, die einen gewissen Zauber, eine gewisse Mystik haben, druckvoll rübergebracht. Wir möchten mit unseren Stücken Adrenalinstöße hervorrufen. Es soll nicht alt und verstaubt klingen, sondern frisch und dynamisch. D. Meier: Wer sind die Gastmusiker auf euren CD’s? Christoph: Auf der “Stella Splendens” singt die amerikanische, klassische Sängerin Susan Hurll-Bastian, mit der Jürgen schon öfter im Studio zusammengearbeitet hat. Konstanze hat erst später als Sängerin bei uns angefangen. Auf der neuen CD haben wir eine Geigerin, Gudrun Walther, dabei. Wir wollten bei einer der Nummern ein Irland-Gefühl vermitteln und beginnen mit Flöte und irischer Geige. Bei CD-Produktionen fragen wir gern unsere Musiker-Freunde, ob sie Spaß hätten, mitzumachen. D. Meier: Bei eurer neuen CD gibt es eine weitere Besonderheit... Christoph: Ja, wir haben für das “Palästinalied” zwei Gastsänger dabei: El Houssaine Kili - einen nordafrikanischen Sänger und Chaim Kapuja aus Tübingen, der eine jüdische Band hat. Die Aussage Walthers von der Vogelweide - Palästina gehöre den Christen und dieses wunderbare Land, wo Gott Mensch geworden ist, müsse von den Heiden befreit werden - finden wir politisch sehr fragwürdig. Deshalb wollten wir die anderen Weltreligionen, die ebenfalls Anspruch auf Jerusalem und Palästina erheben, auch zu Wort kommen lassen. So singt El Houssaine Kili auf arabisch vom Sinn her dasselbe wie Chaim Kapuja auf hebräisch und Walther von der Vogelweide auf mittelhochdeutsch: einen Lobgesang auf Jerusalem, “die Perle”. Damit wird sehr poetisch die Liebe zu dieser Stadt, zu diesem Land ausgedrückt. Alles, was im “Palästinalied” davon handelt, dass den Heiden eins auf die Mütze gegeben werden soll, haben wir weggekürzt. D. Meier: Ihr seid in den Bandpool der Rockstiftung Baden-Württemberg - eine Einrichtung des Kultusministeriums und des SWR - aufgenommen worden. Wie kam das?
Welche Vorteile wird euch das bringen? Christoph: Unsere Beleuchterin Marion hatte gelesen, dass Bands sich da bewerben können, hat Fotos, unsere CD’s und die Plakate dort hingeschickt. Nach einem Vorstellungsgespräch sind wir von über hundert Bands unter die ersten fünf gekommen, die aufgenommen wurden. Die Rockstiftung fördert diese jungen Bands anderthalb Jahre lang, indem sie ihnen Seminare anbietet oder Kontakte zu wichtigen Leuten aus der Musikbranche wie Produzenten, Tontechnikern und Juristen herstellt. Vor kurzem waren wir in Karlsruhe bei einem Vorspielen. Es war eine hochkarätige Jury von über zehn Personen aus der ganzen Bundesrepublik anwesend, die stellvertretend standen für Plattenfirmen und andere wichtige Leute der Musikbranche. Nach unserem zwanzigminütigen Auftritt wurden wir in die Mangel genommen, bekamen zu hören, was alles nicht stimmt. Wir lernten anschließend eine sehr gute, engagierte Choreographin kennen, die in Hamburg eine Schule für Performance leitet. Demnächst sind wir eine Woche dort und trainieren mit ihr Bühnenpräsentation oder überdenken unsere Kostüme.
“Uns ist es wichtig, die Musik optisch so zu verpacken, dass es wie ein mittelalterliches Mysterienspiel wirkt”.
Ulli Stotz in Action
D. Meier: Es könnte also sein, dass ihr euch noch etwas verändern werdet? Christoph: Ja, wir wollen daran arbeiten, weil wir natürlich als Autodidakten schnell an irgendwelche Grenzen kommen. Uns ist es wichtig, die Musik optisch so zu verpacken, dass es wie ein mittelalterliches Mysterienspiel wirkt. Dazu gehört Handwerk - auch schauspielerisches - das wir uns noch aneignen müssen. D. Meier: Wie geht es weiter mit Adaro ? Christoph: Als erstes möchten wir die Live-Präsentationen mit unserer Choreographin in Hamburg verbessern. Wir wünschen uns, über die Konzerte ein größeres Publikum zu erreichen. Bei der nächsten CD-Produktion werden wir dann auch einen außenstehenden Produzenten zu Rate ziehen.
D. Meier: Wie seht ihr euren musikalischen Entwicklungsweg ? Christoph: Wir gehen jetzt etwas weg von den Cantigas, weil wir gern mittelhochdeutsch singen und zudem freier als bisher mit dem Textmaterial umgehen möchten. Bei den Cantigas waren wir sowohl durch die Melodien als auch durch die Texte sehr festgelegt. Wir nehmen uns jetzt die Freiheit, mittelhochdeutsche Dichter, beispielsweise aus der Manessischen Liederhandschrift, zu kürzen und nur noch die Sätze zu nehmen, die gut zusammenpassen. Daraus machen wir etwas eigenes, ohne dem Dichter Gewalt anzutun. Außerdem komponieren wir eigene Melodien, die ein wenig eingängiger und geradliniger sind. Die Cantigas arbeiten sehr oft mit der Zahl sieben und Taktverschiebungen, die zum Tanzen eher ungeeignet sind. Wenn es die Leute bei jedem zweiten Takt raushaut, dann tanzen sie nicht mehr. D. Meier: Sind eure Titel auch irgendwo im Rundfunk zu hören ? Christoph: Es ist eine sehr blauäugige Vorstellung von jungen Bands zu meinen, wenn sie tolle Musik machen, würde diese auch im Radio gespielt. Es läuft leider alles ganz anders, wie wir inzwischen festgestellt haben. Natürlich würden wir gern im Radio mit unserer Musik vorgestellt werden. Die bisherige Erfahrung mit “Stella Splendens” hat jedoch gezeigt, dass unser musikalisches Konzept, beispielsweise nach Ansicht des SWR 3, nicht in das Format der Rundfunksender hineinpasst. Auf der anderen Seite ist ein Markt da für Instrumente wie Bombarde oder Drehleier. Wir versuchen, in diese Lücke reinzukommen, ohne uns selbst zu verbiegen. Bisher spielen uns jedoch nur die Lokalstationen. D. Meier: Ihr hattet auch Fernsehauftritte, zum Beispiel 1998 beim “Festival der Spielleute” auf der Burg Freudenburg. Wo noch ? Christoph: 1997 bei “Boulevard Deutschland” der Deutschen Welle, Berlin. Das wurde sogar weltweit übertragen. Dies war insofern von Bedeutung, als Richie Blackmore, ehemaliger Gitarrist von Deep Purple, diese Sendung beim Zappen in den Fernsehprogrammen gesehen hat und dadurch auf uns aufmerksam wurde. Wir haben später erfahren, dass er bei einem Interview unter seinen Lieblings-CD‘s die “Stella Splendens” anführte.
“Ich bin froh über jede Band, die das Thema Mittelaltermusik rockig in die Öffentlichkeit bringt.”
On Guitar Jürgen Treyz
D. Meier: Ihr habt einen sehr engagierten Fan-Club, der sich hauptsächlich aus Mitgliedern der Mittelalter-Truppe Circulus Amicorum zusammensetzt. Mir ist aufgefallen, dass viele MA-Bands nicht zuletzt durch den unermüdlichen Einsatz ihrer Fans bekannter werden. Was tun die denn alles für euch ? Christoph: Unser Fanclub ist klasse und unterstützt uns sehr. Bei vielen Konzerten in unserer Region, bis hinein nach Rheinland-Pfalz, kommen viele Fans in Gewandung und verbreiten gute Stimmung. Sie haben sich untereinander kennengelernt, sind über E-Mail vernetzt und bieten sich gegenseitig Übernachtungsmöglichkeiten oder Mitfahrgelegenheiten an, um zu unseren Konzerten zu kommen. D. Meier: Welches Verhältnis habt ihr zu anderen härteren Mittelalter-Gruppen wie Corvus Corax oder in extremo ? Christoph: Das ist für uns keine Konkurrenz. Die musikalische Richtung, die wir einschlagen, ist weniger Metal - inzwischen der Stil von in extremo - sondern Rock-Pop. Auch die Fans sind andere, selbst wenn sich einiges überschneidet. Wir haben diese Gruppen persönlich kennengelernt, auch gemeinsame Konzerte mit ihnen gemacht. Mit in extremo haben wir uns ganz gut verstanden - und sie beim Kegeln besiegt.
Ich bin froh über jede Band, die das Thema Mittelaltermusik rockig in die Öffentlichkeit bringt. Dadurch bekommen wir ein Forum. Wir kämpfen uns ja sonst im Untergrund ab, versuchen, gute Musik zu machen, und keiner hört es.
König Alfons “hätte auch E-Gitarre gespielt, wenn sie damals schon bekannt gewesen wäre.”
D. Meier: Ich finde es äußerst faszinierend, wie unterschiedlich die einzelnen Gruppen die mittelalterlichen Stücke interpretieren, sei es in Richtung Rock, Folk oder Klassik. Nun gibt es verschiedene Ansichten darüber, wie die Lieder und Tänze früher gespielt wurden. Was meinst du dazu ? Christoph: Früher wurde alles ganz anders gespielt... Keiner von uns war dabei. Wenn ich heute ein Stück spiele und eine andere Band covert das, hört es sich auch völlig anders an. Es gab damals wie heute Musiker, die begnadet waren - und Dilettanten. Zwischen den unter-schiedlichen Interpretationen konnten dann auch Welten liegen. Ich weiß aber, dass es vom Sound her ähnlich geklungen haben mag, weil die Instrumente, so wie sie gebaut sind, nur so klingen können. D. Meier Was hätte wohl König Alfons zur Musik von Adaro gesagt ? Christoph: Ich denke, er hätte auch E-Gitarre gespielt, wenn sie damals schon bekannt gewesen wäre. Bei den Cantigas gibt es über 2000 Zeichnungen, die die Texte inhaltlich unterstützen wie Comic-Strips. Auf vielen Abbildungen sind Musiker der damaligen Zeit dargestellt, die auf verschiedenen Instrumenten spielen. Dies zeigt das Bestreben des Kunstmäzens Alfons, möglichst alle Instrumente zu sammeln und darzustellen. Dabei hat er nicht nur jene genommen, die im christlichen Abendland üblich waren, sondern auch solche aus der jüdischen Tradition, der arabischen Welt. Die Drehleier kam zum Beispiel über die Mauren nach Europa. Wenn da jemand plötzlich mit einer E-Gitarre angekommen wäre, hätten die Leute ihn entweder verbrannt oder vergoldet. Ich glaube aber, Alfons hätte das bestimmt gefallen.
Adaro sind:
Konstanze Kulinsky: Gesang, Drehleiher Christoph Pelgen: Gesang, Bombarde (bretonische Schalmei), Krummhorn, Flöten, Dudelsack Davide Piai: Bass Ulli Stotz: Schlagzeug Jürgen Treyz: Gitarren
Kontakt: Adaro c/o Artes Blienshaldenweg 75, 73734 Esslingen Tel. 0711/388240, Fax 0711/388485 Homepage Artes
Homepage: http://www.adaro.de
Nochmals ganz herzlichen Dank an Daniela Meier und die Karfunkel - Redaktion, ohne deren Einverständnis dies hier nicht möglich wäre. Liebe Grüße - Willi Schühle, 2.Juli.2000
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